Zwei kontroverse Meinungen zum ersten Bildfeld im Davidszyklus von Müstair
3. September 2007 von Marese SennhauserDeutung bei Goll/Exner: Samuel kommt zu Isai nach Betlehem um einen von dessen Söhnen zum König zu salben (1 Sam 16, 1-13). Also: Davids Salbung. (Exner, S.93 mit A.30) Dazu nennt Exner 2 Bilder aus byzantinischen Handschriften des 10. und 11.Jh. MÜSTAIR, Verlag Neue Zürcher Zeitung (NZZ Libro) 2007, S.92f (Exner), S.116 (Goll).
Deutung bei Sennhauser-Girard: Samuel kommt nach Gilgal, trifft Saul beim Darbringen eines Opfers, tadelt ihn deswegen und prophezeit ihm, dass Gott einen andern zum König erwählt hat ( 1 Sam 13, 7-14). Also: Sauls Opfer und Verwerfung. Die Salbung Davids war, wie ich meine, erst im jetzt verlorenen zweiten Bildfeld dargestellt, denn im Bildprogramm von Müstair gehören je zwei Bilder sinngemäss als Paar zusammen. Ihre Aussagen sind aufeinander bezogen. (Siehe dazu in diesem Blog meinen Post vom August 2006. Näheres zum gesamten Davidszyklus habe ich in einem unveröffentlichten Aufsatz von 2003 zusammengestellt, der demnächst erscheinen soll.)
Dazu zeige ich hier die entsprechende Szene aus einer frühchristlichen lateinische Bilderhandschrift, die um 400 oder Anfangs des 5.Jh. in Italien geschaffen worden ist:
Sauls Opfer in der sogenannten Quedlinburger Itala (theol.lat. fol. 485) in der Staatsbibliothek in Berlin.
Von dieser einst dicht und textnah illustrierten christlichen Handschrift des späten 4. oder frühen 5.Jh. sind leider nur wenige Seiten – Text und Bilder auf separaten Blättern – erhalten. Das obige Bild zeigt eine von vier aufeinanderfolgenden Szenen zum altlateinischen Text von 1 Sam.15, 1-33, der in einem interpolierten Satz auf 1 Sam 13 zurückgreift: Der Prophet Samuel verkündet dem König Saul, dass er wegen seines wiederholten Ungehorsams von Gott verworfen ist. Hier ist nun aber – eher als die im darauf folgenden Text angeführte Stelle aus 1. Sam. 15 – die vorausgehende Stelle aus 1 Sam 13, 7-14 geschildert: Der Prophet Samuel trifft auf einem zweirädrigen, von 2 Pferden gezogenen Wagen in Gilgal ein, wo Saul soeben eigenmächtig das dem Propheten vorbehaltene Brandopfer darbringt (es ist hier allerdings als Weihrauchopfer bei einer Stele dargestellt). Die Aufnahme ist undeutlich; im Original in der Berliner Handschrift ist Samuel links oben vor der Architekturkulisse noch schwach zu erkennen.
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