18. Juni 2007 von Marese Sennhauser

Weltgericht: Schema der erhaltenen Teile; noch nicht eingezeichnet sind hier die spärlichen Fragmente von Strafengeln und jammernden Menschengruppen in der rechten Bildhälfte.
Obwohl der Einbau der Empore dieses Register weitgehend zerstört hat, meine ich auf Grund der spärlichen Reste einiges zur Komposition sagen zu können. Ja ich wage sogar den Versuch die fehlende Mitte zu rekonstruieren auf welche hin sich die Scharen der Auferstandenen von beiden Seiten her abwärts schreitend, hinbewegen. Die schon bekannte Strichzeichnung mag helfen, die beiden Fotos mit den von grossen Engeln begleiteten Menschen links im Bild zu orten; auch rechts gibt es unterhalb der Apostel noch schwache Spuren einer Menschengruppe. Die beiden schräg verlaufenden rotbraunen „Balken“ treffen, wenn man sie in ihrem Verlauf verlängert, nicht in der Mitte des Bildstreifens zusammen. Sie sind also nicht als geometrische Unterteilung des Bildfeldes zu verstehen, sondern deuten vielleicht zwei Berghänge an auf denen kleine Menschlein, von Schutzengeln getröstet (links, also zur Rechten des Richters) oder von Engeln mit Lanzen zurückgetrieben (rechts, also zur Linken Christi) hinter einer Mauer (?) auf ein nicht erhaltenes „Zeichen der Entscheidung“ zustreben.
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16. Juni 2007 von Marese Sennhauser

Müstair Westwand: Weltgericht, zweiter Streifen, Mitte: Jesus, der Menschensohn und Davidsspross hat auf dem Richterthron Platz genommen. Er ist von einer kreisrunden, irisierenden Gloriole und von einer Schar von Engeln mit vielfarbigen Nimben (Lichtwesen!) umgeben. Oben und unten ist das Bild von einem spätgotischen Fenster und einer als Zugang zur Nonnenempore eingebrochenen Tür beschädigt. Darunter ist schon das dritte Register mit der Scheidung von Guten und Bösen zu sehen.
Das eigentliche Tribunal: die Beratung der Apostel, der Spruch des Richters und die Ausrufung des Urteils durch zwei Gerichtsschreiber-Engel.
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14. Juni 2007 von Marese Sennhauser
Auferweckung der Toten, Wiederkunft Christi, sein Zeichen am Himmel und das Einrollen des Firmaments (Ende der Zeit).
Die erste Phase des Jüngsten Gerichts wird durch Vorgänge am Himmel eingeleitet: Sonne Mond und Sterne verschwinden, das heisst, die Möglichkeit der Orientierung in Raum und Zeit geht verloren. Dann erscheint, von Engeln eskortiert, Christus, der Menschensohn, dem sein Sieges- Zeichen voraus geht: das strahlende, funkelnde Kreuz des Auferstandenen. Vier Engel mit lauten Posaunen wecken die Toten auf um sie aus allen vier Weltgegenden zusammenzuführen. Das war im obersten Streifen des Gerichtsbildes dargestellt (also im 2.Register der gesamten Wand, denn die Szenen aus dem Davidszyklus darüber sind wenigstens gedanklich einzubeziehen. Darüber wird weiter unten noch etwas zu sagen sein.)

Die Wiederkunft Christi (Parusie). Mittelteil des Weltgerichtsbildes oben links. Das eigentliche Zentrum dieses Registers ist durch das spätgotische Fenster zerstört worden. Ich habe bei der Besprechung der Davidsbilder dargelegt, weshalb ich glaube, dass es in der Westwand ursprünglich nur zwei karolingische Fenster gab. Das karolingische Mittelfenster ist bloss eine nicht belegbare Annahme.
Die fast frontal gesehene, von einer irisierenden ovalen Glorie umleuchtete Gestalt Christi ist weitgehend zerstört. Man sieht aber noch das griechisches Schriftzeichen für phos (das Licht) im senkrechten Balken des Kreuznimbus, den weit ausschreitenden linken Fuss und den ausgestreckten linken Arm, sowie das windbewegte, gebauschte Mantelende, das die heftige Bewegung des Heranschreitenden evoziert. Die erwartete Abwärtsbewegung aber wird nur durch die drei begleitenden Engel angedeutet, die ihm vorauseilen. Bei der Gewandpartie des vordersten von ihnen ist ausnahmsweise auch die oberste Farbschicht erhalten, so dass für einmal die hervorragende malerische Qualität des Freskos erkennbar ist.
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9. Juni 2007 von Marese Sennhauser

Müstair, innere Westwand: Weltgericht (heutiger Zustand), Foto F. Hidber im GSK-Führer 1986, Grundlage: Matthäus 24, 29 – 31 und 25, 31 – 46 (sowie weitere Stellen aus dem neuen Testament: die sogenannte „synoptische Apokalypse“, die Stelle aus Matth.19,23-30 und einige Stellen aus den Apostelbriefen; wahrscheinlich auch Predigten aus dem 4./5.Jh, etwa Johannes Chrysostomus und Papst Leo der Grosse)
Man sieht: die Zerstörungen am monumentalen Bild durch den Einbau der Nonnenempore und durch Fenster- und Türausbrüche in gotischer Zeit sind sehr gross. Trotzdem kann man sich die ursprüngliche Wirkung des Freskos mit Hilfe der Umzeichnung gut vorstellen, und, wie ich meine, lassen sich wichtige Partien sogar einigermassen rekonstruieren. Das grosse rechteckige Bildfeld befindet sich unterhalb der schon besprochenen Bilder Nr.9-12 des Davidszyklus und ist als Ganzes in das selbe breite Rahmenornament gefasst, das unten auf den den ganzen Raum umziehenden Mäander und die Sockelzone aus Marmorimitation trifft. Interessant ist ein erst vor einigen Jahren entdecktes karolingisches „Fenster“ unten in der Mitte der Westwand (in der senkrechten Mittelachse des Weltgerichtsbildes).

Strichzeichnung der Westwand-Einteilung (Büro Sennhauser: F.Hidber, Zurzach): Drei Bildfelder aus dem Davidszyklus sind in die Betrachtung des Weltgerichtsbildes einzubeziehen, obwohl dieses separat gerahmt ist (siehe dazu: Matth.22, 41-46 und Parallelen und Apg.2,29-36)
Man sieht sogleich, dass in drei erzählenden Streifen (Nr.123-134) von oben nach unten ein zeitlicher Ablauf dargestellt ist. Da aber jeder Fries zu einer Zentralkomposition geformt ist, und da die senkrechte Mittelachse mit dem Christus-Richter in der Rundgloriole das ganze dominiert, ergibt sich der Eindruck eines einheitlichen monumentalen Gemäldes. Nr.135 steht für das abschliessende Ornament mit dem perspektivischen Mäander, das sich über der ebenfalls gemalten Sockelzone, die Marmorinkrustation imitiert, rund um den ganzen Saal zieht. Das „Fenster“ in der Mitte ragt in das Weltgerichtsbild hinein!
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7. Juni 2007 von Marese Sennhauser

Ausschnitt aus dem barocken Beretta-Faksimile nach Giottos „ Navicella“
Unten: Die gleiche Szene (wohl nach dem spätantiken Original am Atrium von Alt St.Peter in Rom?) als Bildfeld im karolingischen Christuszyklus von St.Johann in Müstair!

Müstair Nordwand, Bildfeld Nr.50: Petri Rettung aus den Fluten (oder: Jesus vertraut dem Petrus das Schifflein seiner Kirche an und verheisst für immer seine rettende Gegenwart). Matthäus 14, 22 -33.
Nachdem ich meinen Blog Ferien- und Krankheitshalber zwei Monate lang arg vernachlässigt habe, muss ich einen wichtigen Nachtrag liefern bevor ich zur versprochenen Beschreibung des Weltgerichts an der inneren Westwand übergehe.
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