30. September 2006 von Marese Sennhauser
Müstair Südapsis, Bild links vom Fenster: Vigilius (385-400) wird zum Bischof geweiht; rechts: Bischofsweihe 1986 in Bern
Die Christkatholische Kirche greift in vielem auf die Frühe Kirche zurück, so auch beim Ritus der Bischofsweihe. Das Evangelienbuch symbolisiert Christus, da er der eigentliche Konsekrator ist.
Es wird dem gewählten neuen Bischof vom Hauptkonsekrator offen aufs Haupt gelegt. Dazu wird Psalm 23 gesungen (Des Herrn ist die Erde und was sie erfüllt. .= Macht hoch die Tür…) Dann salbt der Hauptkonsekrator das Haupt des zu Weihenden. Nachher halten zwei Geistliche während der ganzen Zeremonie das Buch offen über seinen Kopf. Alle anwesenden Gestlichen legen nacheinander die Hand auf sein Haupt. Dazu spricht der Konsekrator das Weihegebet.
Nachtrag zum karolingischen Bild: Es scheint also, dass das Hauptcharakteristikum dieser Weihezeremonie das offene Evangelienbuch über dem Kopf des zu Konsekrierenden ist!
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29. September 2006 von Marese Sennhauser

Nordwand, ganz (Postkarte, Foto Hans Steiner, St. Moritz)
Vom Davidszyklus im obersten Register habe ich schon gesprochen. Bevor ich nun einige Szenen des Christuszyklus beschreibe, sind ein paar Worte über das Dekorationssystem der Müstairer Saalkirche fällig. Natürlich muss man sich beim Betrachten dieser Aufnahme die gotischen Einbauten wegdenken um die Bilder in ihrer einstigen Anordnung zu sehen und zu merken, wie überschaubar der Raum einst war.
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25. September 2006 von Marese Sennhauser
Erstes Register der erzählenden Bilder: Vigilius wird im Jahr 385 zum Bischof von Trient geweiht (Eigene Aufnahme) und: Messfeier des Neugeweihten (Eigene Aufnahme). Da der Sinn des Bildes in der Südapsiskalotte nun als „die himmlische Liturgie“ verstanden ist, können auch die beiden noch erhaltenen Szenen beidseits des Fensters im Apsisrund gedeutet werden. Beide geben eine liturgische Handlung aus der Frühzeit (4./6. Jh) der christlichen Kirche wieder. Links vom Fenster ist eine Bischofsweihe dargestellt (siehe oben) und rechts vom Fenster die Messfeier des Neugeweihten (siehe unten): Vigilius bei der Gabenbereitung während dem Sanctusgesang, also vor dem Hochgebet.
Oben: Bischofsweihe. Links das akklamierende Volk, das ihn gewählt hat, im Zentrum der noch junge Priester Vigilius, dem zwei andere Kleriker die Hand auf die Schulter legen und der ebenfalls mit einem Nimbus ausgezeichnete Bischof (von Aquileia? nach Paulus Diaconus ein Apostelschüler), der das offene Evangelium bereit hält um es dem zu Weihenden auf den Nacken zu legen.
Der Altar rechts, über dem sich ein Ciborium mit einer herabhängenden Krone erhebt, zeigt wohl die Bedeutung Trients als Hauptort einer italienischen Grenzfestung und als frühchristlichen Bischofssitz an.
Links: Messfeier des neugeweihten Bischofs (Gabenbereitung zwischen Praefation und Hochgebet): Links bringen einige Kleriker den Kelch mit dem Wein. Am Sigmatisch sitzt der mit Dalmatik und Stola bekleidete jugendliche Bischof, der das Tuch mit dem vom Volk dargebrachten Brot auf den Knieen ausgebreitet hat. Brotstücke und Sieb für den Wein liegen auf dem Tisch.
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24. September 2006 von Marese Sennhauser

Das alte Schwarzweissbild (Foto H. Steiner, St. Moritz) ist das einzige Foto, das das Medaillonkreuz unverzerrt als lateinisches Kreuz (Leidenskreuz) wiedergibt. Im Farbbild daneben sieht es fast wie ein gleichschenkliges griechisches Kreuz aus (Licht, Heil, Herrschaft Gottes).
Der Künstler, der die Darstellungen in den drei Halbkuppeln entworfen hat, konnte seine Formgebung jedenfalls so berechnen, dass der Betrachter vom Kirchenraum aus das jeweilige Bild in der gewünschten Form sah.
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23. September 2006 von Marese Sennhauser

(Zeichnung E. Bruni im Schw.Kunstführer 733/34 2003)
Die Szenen 89-101 im Apsisrund der Mittelapsis handeln von Johannes dem Täufer. Obwohl nur fragmentarisch erhalten, sind im obersten Register die Ankündigung der Geburt an Zacharias (89-90) und Elisabeth im Wochenbett (91) eindeutig zu erkennen, während die Namensgebung (92) rechts aussen zerstört ist. (Lukas 1, 5-25 und 57-80). Im nächsten Register geht es weiter mit einem Fragment aus der apokryphen Überlieferung:
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von Marese Sennhauser
Der Codex Sangall.348 gehörte einst dem Churer Bischof Remedius und ist vielleicht sogar von ihm selber geschrieben und verziert worden.
Es handelt sich um ein gelasianisch-fränkisches Sakramentar, das nach 759 in Italien zusammengestellt und gegen Ende des 8.Jh. in Frankreich mehrmals abgeschrieben und nach Bedarf etwas geändert wurde. Ein Sakramentar enthält die Gebete und Gesänge, die nicht zum feststehenden Teil der Messfeier gehören, sondern zu wechselnden Fest- und Gedenktagen.
Diese sogenannten Proprien sind nach Monaten und Tagen im Kirchenjahr geordnet und beginnen mit der Vigil von Weihnachten.
Besonders interessant sind die Formulare für spezielle Heiligenfeste, da man so herausfinden kann für welche Gegend ein Buch geschrieben worden ist. Ich nehme daher an, dass das Remediussakramentar nicht in und für Chur geschrieben worden ist, sondern etwa um 780 in der Hofschule Karls des Grossen für eine bischöfliche Kirche in der Nähe von Metz, da es ein Formular für den Heiligen Gorgonius, den Patron von Gorze enthält.
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21. September 2006 von Marese Sennhauser

Nordapsiskalotte: Szene im Himmel: Christus, der König der Welt, betraut die Apostel Petrus und Paulus nach ihrem Tod in Rom mit der Leitung seiner Kirche. (Foto, Bea Ess, Luzern)
Apsiswölbung, Nr.103: Der im Sternenkreis thronende, kaiserlich gekleidete Christus blickt uns streng an während er den beiden sich ehrfürchtig nahenden Apostelfürsten die Schlüsselgewalt zu seinem Reich und, in Form eines Buches, den Lehrauftrag übergibt. Die Aussage ist klar:
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19. September 2006 von Marese Sennhauser

Mittelapsis: 1.Ankunft des Heilands in der Welt („Christus Angelus“, der Bote des grossen Rates, der ewige Logos, kommt zur Inkarnation) (Foto Bea Ess, Luzern)
Betritt man heute die Klosterkirche durch die südliche Eingangstür, geht bis zum Mittelgang und wendet sich dann nach rechts so fällt der Blick zuerst auf das Bild in der Halbkuppel der Mittelapsis, wo eine sehr grosse, aufrechtstehende oder schreitende Christusgestalt mit wehenden Mantelenden in einer doppelten ovalen Gloriole wie in einem Zoom auf einen zuzukommen scheint.
Damit ist die Hauptaussage des gesammten Bildprogramms schon gefunden:
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18. September 2006 von Marese Sennhauser
Bevor ich mich den Apsisprogrammen der karolingischen Klosterkirche von Müstair zuwende, will ich noch einen kleinen Triumph auskosten. Vor mehr als zwanzig Jahren habe ich an einem Archäologen- und Kunsthistorikertreffen im Südtirol teilgenommen. Damals äusserte ich mich inoffiziell auch zu den „irischen“ Fresken in der kleinen Friedhofskirche von Naturns. Ich hatte mich intensiv mit diesen ungemein expressiven und schwungvoll gezeichneten Bildern beschäftigt und fand, dass sie mich an frühmittelalterliche Wandbilder und Buchmalereien in Spanien erinnern und dass sie im 10. oder 11. Jahrhundert geschaffen sein könnten. Mit dieser Einschätzung war ich nicht ganz allein. Aber dass hier die Luzius-Legende dargestellt sein könnte, wollte mir niemand glauben. Der heilige Luzius ist der Bistumspatron von Chur, und seine Vita ist etwa um 800 in rätischer Minuskelschrift aufgeschrieben worden. Der Verfasser dieser als Predigt gestalteten Geschichte war vielleicht Remedius, der damalige Bischof von Chur, der meines Erachtens auch für den Freskenschmuck von St.Benedikt in Mals und von St.Johann in Müstair verantwortlich war. Die Wandmalereien von Naturns zeigen, wie ich glaube, Passagen aus diesem Text. Stilistisch haben sie natürlich nichts mit der Karolingerzeit zu tun, obwohl sie bisher zeitlich in die Nähe von Müstair platziert wurden. Und nun kommt mein Triumph: neueste Untersuchungen haben ergeben, dass der Bau, der einen älteren Saal ersetzt, ins 10./11. Jh. datiert werden muss. Damit entfällt die Frühdatierung der Fresken! Den Luzius wird mir allerdings niemand abnehmen, sind doch Hotels und Sportzentrum und Andenkenläden in Naturns ein für alle Mal nach St.Prokulus benannt…
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17. September 2006 von Marese Sennhauser
Heute, am 17. September, war für die Sonntagsmesse eine Stelle aus dem Lukas-Evangelium vorgeschrieben: Lk 17, 11- 19. Jesus heilt 10 Aussätzige. Nur einer kam zurück um zu danken. Dieser war einer aus Samaria.
Das gibt mir Gelegenheit auf eines, der bisher ungedeuteten Bilder aus dem Jesus-Zyklus in der karolingischen Kirche von Müstair zu verweisen. Es ist die nur zur Hälfte erhaltene Szene Nr.43 an der Nordwand: Jesus steht nach rechts gewandt und blickt sprechend zur Jüngergruppe zurück. Die nächste Szene, Nr 44, zeigt Jesus mit dem Hauptmann von Kapharnaum, resp.dem königlichen Beamten, der um eine Fern-Heilung bittet nach Lk 7,1-10 oder Mt 8,5-13 oder Jo 4, 43-54. Weil je zwei Szenen innerlich zusammengehören, schliesse ich darum für das Bild Nr 43 auf die Heilung der 10 Aussätzigen. Die Bilder sind nämlich wie Psalmverse zusammengestellt, wo oft das hebräische Prinzip des Gedankenreims (Parallelismus membrorum) verwendet wird, das heisst, in einem Zweizeiler wird Ähnliches wiederholt, oder manchmal auch Gegensätzliches daneben gestellt. Beide Bilder, respektive die zugehörigen Texte, handeln davon, dass Irrgläubige oder Heiden kraft ihres Glaubens eher gerettet werden als die eigentlich Berufenen.
Zu Fresken als Hyperlinks siehe auch den Eintrag „Bilder statt Bücher“.
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