30. August 2006 von Marese Sennhauser

Rasterartige Wandeinteilung der karolingischen Saalkirche von Muestair;
grau eingezeichnet die gotischen Einbauten (Büro Sennhauser, Zurzach)

Bild Nr 1 oben links an der Südwand (heute im Dachstock)Samuel überrascht König Saul beim Brandopfer (1 Sam. 13, 8-14) Foto Bea Ess, Luzern
Das erste Bildfeld des gesamten Zyklus ist seltsamerweise auch das zuletzt entdeckte!
Bis vor fünf Jahren galt es als verloren. Nachdem Zemp und Durrer im Dachstuhl der damals noch vollständig übertünchten Kirche einen vorromanischen Davidszyklus aufgefunden und im Schein von Stalllaternen in Aquarellen und Photographien festgehalten hatten, beschlossen sie, ihn zu retten. Die einst beim Gewölbe-Einbau in ihren unteren Partien zerstörten, sonst aber erstaunlich gut erhaltenen Bilder wurden also zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem eher primitiven Verfahren vom Malgrund abgelöst und dabei schwer beschädigt. Sie wurden in das neu erbaute Landesmuseum in Zürich gebracht und dort magaziniert. Ausgestellt wurde bis heute nur die monumentale Himmelfahrt Christi, die sich oben quer über die ganze Ostwand erstreckte. Was heute in Zürich aufbewahrt wird, sind allerdings klägliche und kaum mehr erkennbare Reste. Da aber bei echter Freskomalerei die Farbe tief in den Malgrund eindringt, sind einige Partien noch heute im schwer zugänglichen Dachstock zu sehen! Und die sind von so erstaunlicher Qualität, dass sich der Weg über eine Leiter, der Einstieg durch ein hochgelegenes karolingisches Fenster, und eine „Bergtour“ über den Gewölbekuppen durchaus lohnt.
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Kategorie: Müstair | Kommentare deaktiviert für Das erste Bildfeld des Davids-Zyklus-->
25. August 2006 von Marese Sennhauser
Früher habe ich die zum Teil sehr fragmentarisch erhaltenen Bildfelder und grossen Kompositionen einfach beschrieben, und dann versucht sie zu benennen. Meine Frage lautet stets zuerst: was sehe ich? und dann erst: was glaube ich zu sehen auf Grund meines Wissens? Und schliesslich: wie steht das Bild im Kontext der ganzen Ausmalung? Stilfragen blieben vorsichtigerweise fast ausgeschlossen, da sehr wenig Vergleichbares bekannt war. Heute aber interessieren mich diese kostbaren Fragmente auch im Hinblick auf die historischen Hintergründe, die zu ihrer Entstehung geführt haben. Nun wird es spannend, aber auch gefährlich. Ich könnte mich in die Nesseln setzen. Ich könnte andern Autoren zu nahe treten. Ich könnte als unwissenschaftlich vorgehende Phantastin abqualifiziert werden: Schreib doch lieber einen historischen Roman! Ich kenne aber heute Fakten, die eine genauere Datierung der Ausmalung der Klosterkirche von Müstair zulassen. Ich bin jederzeit bereit meine kunsthistorischen Beobachtungen und kulturhistorischen Thesen zu belegen und zu verteidigen (aber natürlich nicht im Rahmen eines lockeren Geplauders). Hier will ich nun kurz die neuen Voraussetzungen nennen, die mich veranlassen für die Entstehungszeit der Fresken von Müstair die Jahre zwischen 785 und 795 anzunehmen. Sie wären dann etwas jünger als das Godescalc-Evangelistar(783), die früheste für Karl den Grossen geschaffene Prachthandschrift, und wenig älter als die (nur in alten Dokumenten überlieferten) Malereien im Dom von Aachen. Mit beiden sind sie jedoch sicher verwandt.
Diese neuen Voraussetzungen sind folgende:
- Die Klosterkirche kann dendrochronologisch in die Jahre nach 775 datiert werden (Holzbalken im Dachstuhl).
- Die Innenausstattung der St.Benediktskapelle im nahen Mals im Vinschgau darf jetzt etwa 785 datiert werden, da sie – nach meiner Meinung – in dieser Eigenkirche einer Adelssippe als Gedächtnisstätte für Rhodpert, den 784 bei Bozen getöteten fränkischen Befehlshaber von Trient, hergerichtet wurde. Der dort an der Altarwand dargestellte Mann mit dem Schwert ist also nicht der weltliche Stifter, sondern der hier geehrte Tote. Hinter seinem Kopf befindet sich nicht das Rechteckfeld, das üblicherweise darauf hinweist, das hier ein Lebender portätiert ist (kein „Nimbus“), sondern eine durchgehende bodenlange Wandplatte.
- Die bisher unbefriedigend gedeuteten letzten beiden Bildfelder an der Nordwand (alle Darstellungen müssen von links nach rechts gelesen werden) zeigen Gregor den Grossen, noch als Mönch und päpstlichen Gesandten in Konstantinopel, zuerst im Streitgespräch mit dem Patriarchen Eutichius über die „Auferstehung des Fleisches“, und dann bei der ersten Niederschrift seiner Moralia in Job. (Darüber berichtet Paulus Diaconus in seiner etwa 770 verfassten Vita Gregors des Grossen und auch in seiner Historia Langobardorum.)
Das ganze Bildprogramm ist auf die Schriften und Predigten Gregors ausgerichtet, die vom Wirken des Heiligen Geistes, vom Leben nach dem Tod und von der zu erwartenden leiblichen Auferstehung handeln.
- Der geistliche Stifter, der das Kirchenmodell darbringt, ist Remedius, der spätere Bischof von Chur (erst etwa ab 790), der damals vermutlich vom karolingischen Hof mit der Aufsicht über die Arbeiten im Kloster Müstair betraut wurde. Hier handelt er wohl als ein Verwandter des verstorbenen Rhotpert.
Soweit meine Zusätze zu der – im übrigen hervorragenden – Monographie über St.Benedikt in Mals von Elisabeth Rüber (1991 ff), die auch darauf hinweist, dass die maltechnische Analyse Mals und Müstair der selben Werkstatt zuweist !
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24. August 2006 von Marese Sennhauser
Nun, einmal weil ich mit den offiziellen Seiten zu „St.Johann, Müstair“ nicht immer einverstanden bin: Wenn der Text veraltet ist zwickts mich halt ihn nach meinem eigenen Wissensstand zu korrigieren… Und dann sind da meine stets wiederkehrenden Albträume: Ich kann das Klassenzimmer nicht finden. Ich habe die Lateinaufgaben nicht gemacht. Ich habe wochenlang die Mathematikstunden geschwänzt. Wie soll ich da die Matur-Prüfung bestehen? Ich werde entweder gar nicht zugelassen oder ich falle durch! –
Ja, die nie vollständig gedruckte Dissertation hat mich ein Leben lang belastet. Zumal sie seinerzeit von Professor Linus Birchler hochgelobt worden ist. War Geldmangel schuld? Oder einfach die Umstände? Glückliche Umstände… „Andere Umstände“… Missliche Umstände…? Jedenfalls habe ich die Albträume satt. Und ich brenne darauf, alles was ich in den vergangenen 45 Jahren erabeitet habe an den Mann und an die Frau zu bringen. Da viele fast fertige Texte bereit liegen, sollte das gelegentlich machbar sein – sofern sich mein Perfektionismus nicht wieder quer stellt. Die lockere Form des BLOGS könnte da hilfreich sein. Also los „Grandma Moses“ bevor dir das Schicksal den Stift aus der Hand nimmt!
Marese, 24. August 2006
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